Rubrik: Wissenschaft
Montag, 25. Februar 2019, 09:23
Für die globale Ozeanzirkulation spielt der subpolare Nordatlantik eine entscheidende Rolle. Durch oberflächennahe Abkühlung wird warmes Wasser in kaltes und schweres Tiefenwasser umgewandelt, das in der Tiefe äquatorwärts strömt. Gestützt auf Modelldaten ging man bisher davon aus, dass der Hauptanteil des Tiefenwassers in der Labradorsee gebildet wird. Langzeitbeobachtungen eines internationalen Konsortiums mit Beteiligung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel zeigen nun, dass der wesentliche Beitrag der Umwälzzirkulation im östlichen Nordatlantik stattfindet
Von Bord der „R/V Neil Armstrong“ wird eine ozeanographische Verankerung mit Instrumenten vor der grönländischen Küste ausgebracht, Foto: © Joseph McCabe, Woods Hole Oceanographic Institution
Meeresströmungen werden hauptsächlich durch Wind und Unterschiede in der Dichte des Meerwassers hervorgerufen. Für die Strömungen im Nordatlantik sind beide Prozesse von Bedeutung. Über den Golfstrom und seine Ausläufer wird warmes, salzreiches Wasser weit nach Norden transportiert. Dabei wird das Wasser abgekühlt, was zu einem Anstieg der Dichte des Meerwassers führt und daher ein Absinken bewirkt. Das dichte Tiefenwasser strömt dann wieder Richtung Äquator. Dieses Strömungssystem wird auch als Atlantische Umwälzzirkulation bezeichnet. Es ist für das Klima, insbesondere für die vergleichsweise milden Winter in Nordeuropa, von großer Bedeutung. In bestimmten Regionen, allen voran der Labradorsee, kann es zum Absinken des Oberflächenwassers bis in die Tiefsee kommen. Die Zufuhr von Süßwasser, etwa durch Abschmelzen von Landeismassen als Folge der globale Erderwärmung, reduziert die Dichte des Oberflächenwassers. Ein Versiegen der Tiefenwasserbildung und damit der Umwälzzirkulation hätte direkte Auswirkungen auf das Klima in Europa.
„Die Atlantischen Umwälzzirkulation ist ein komplexes Ineinandergreifen vieler Prozesse. Direkte Beobachtungen sind daher rar und viele Zusammenhänge sind bisher nur aus Modellstudien abgeleitet“, erläutert Dr. Johannes Karstensen vom GEOMAR, einer der Ko-Autoren einer Studie, die jetzt in der internationalen Fachzeitschrift Science veröffentlicht wurde. Um diese theoretischen Erkenntnisse aus Modellen auch mit Beobachtungen zu verifizieren, wurde 2014 mit Beteiligung von sieben Ländern die erste komplette Vermessung der subpolaren Umwälzzirkulation des Atlantiks unter dem Namen „OSNAP“ (Overturning in the Subpolar North Atlantic Program) gestartet. Das Beobachtungssystem OSNAP teilt sich in zwei Abschnitte auf: quer über die Labradorsee, von Kanada zur Südspitze Grönlands, und über den östlichen subpolaren Nordatlantik, von der Südspitze Grönlands bis Schottland. Eine Vielzahl an permanenten Messstationen (Verankerungen) stellen das Rückgrat des Systems dar. An den Stationen werden kontinuierlich Strömungsdaten aber auch Temperaturen und Salzgehalte des Wassers aufgezeichnet.
„In der 21 Monate überdeckenden Zeitserie der Umwälzzirkulation aus den OSNAP-Messungen sehen wir eine erstaunlich hohe Variabilität. Das im Moment überraschendste Ergebnis ist aber, dass die Labradorsee, die wir immer als wichtigste Tiefenwasserbildungsregion angesehen haben, nur etwa 15 Prozent zur Umwälzzirkulation beiträgt. Wir müssen überlegen, wie wir das Konzept von Tiefenwasserformation und Umwälzzirkulation anpassen. Dazu gilt es, die Prozesse, die für die Schwankungen in der OSNAP-Zeitreihe verantwortlich sind, genauer zu identifizieren“, so Dr. Karstensen.
„Beispielsweise ist es möglich dass der OSNAP-Messzeitraum von 2014 bis 2016 nur einen speziellen Zustand der Umwälzzirkulation erfasst hat. Eine Frage die sich nur durch längere Messreihen ermitteln lässt“, erläutert Dr. Karstensen. Im Sommer 2018 waren die OSNAP-Teams aus Europa, den USA, Kanada und China wieder mit den Forschungsschiffen im Subpolaren Nordatlantik unterwegs. Zurzeit werden die Daten analysiert, und es wird erwartet, dass die OSNAP-Zeitserie der Atlantischen Umwälzzirkulation in Kürze um zwei weitere Jahre verlängert sein wird. „Diese Region ist eine der empfindlichsten Stellschrauben unsere Klimasystems. Hier können durch relativ kleine und rasche Veränderungen globale und langzeitliche Auswirkungen auf das Klima ausgelöst werden. Deshalb ist ein umfassendes Verständnis der Prozesse in dieser Region so wichtig“, argumentiert Dr. Karstensen.
Die von dem internationalen Team zusammengetragenen Daten fließen in die Berichte des Weltklimarates (IPCC) ein, dessen nächster Bericht in wenigen Jahren erstellt wird und die Basis für Handlungsempfehlungen zum Klimaschutz darstellt.
Infos: https://www.geomar.de und http://www.whoi.edu.
Link zur Studie: https://doi.org/10.1126/science.aau6592.
Schlagwörter: Atlantik, Meeresforschung, Meeresströmungen
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