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Rubrik: Biologie

Eisalgen: Motor des Lebens im zentralen Arktischen Ozean

Freitag, 22. Juli 2016, 10:16

Algen, die im und unter dem Meereis leben, spielen eine viel größere Rolle für das arktische Nahrungsnetz als bislang angenommen. In einer neuen Studie konnten Biologen des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) erstmals nachweisen, dass sich nicht nur direkt unter dem Eis lebende Tiere von den sogenannten Eisalgen ernähren

Eisalgen

Eisalgen wachsen in einem Schmelzwassertümpel auf arktischem Meereis, Foto: © Mar Fernandez

Auch Arten, die vorwiegend in größeren Wassertiefen vorkommen, beziehen einen Großteil ihres Energiebedarfs ursprünglich aus diesen Eisalgen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass der Rückgang des arktischen Meereises weitreichende Folgen für das gesamte Nahrungsnetz des Arktischen Ozeans haben kann. Die neue Studie ist im Fachjournal Limnology & Oceanography erschienen.

In ihrer Studie haben die Forscher Ruderfußkrebse, Flohkrebse und Flügelschnecken aus dem zentralen Arktischen Ozean auf ihre Abhängigkeit von Eisalgen untersucht. Von einer Reihe dieser Tierarten ist bekannt, dass sie die Unterseite des Meereises als Lebensraum nutzen. Viele andere Zooplanktonarten aber verbringen ihr gesamtes Leben schwebend in Wassertiefen bis zu 1.000 Meter und mehr.

„Wir wissen jetzt, dass Eisalgen eine viel wichtigere Rolle für das pelagische Nahrungsnetz spielen als angenommen. Diese Erkenntnis bedeutet aber auch, dass der Rückgang des Eises arktische Meeresbewohner wie Fische, Robben und am Ende auch den Eisbären viel tiefgreifender treffen könnte als bisher vermutet“, so Doreen Kohlbach, Erstautorin der Studie.

Nachweisen konnte die AWI-Forscherin die enge Verbindung zwischen Zooplankton und Eisalgen mithilfe von Fettsäuren als Biomarkern. Diese werden in der Nahrungskette unverändert weitergegeben. Die für Eisalgen typischen Fettsäuren können demzufolge anzeigen, ob ein Tier über die Nahrung Kohlenstoff aus Eisalgen aufgenommen hat. Um zu bestimmen, wie hoch der Anteil an Eisalgen-Kohlenstoff an der Nahrung genau ist, führte Kohlbach zusätzlich eine Isotopen-Analyse an diesen Biomarkern durch. Hierbei machte sich die Wissenschaftlerin die Tatsache zunutze, dass Eisalgen von Natur aus einen höheren Anteil an schwerem Kohlenstoff in ihre Zellen einbauen als die frei im Wasser lebenden Algen. Aus dem Verhältnis von schwerem zu leichtem Kohlenstoff in den Biomarkern lässt sich so der genaue Anteil des Kohlenstoffs aus Eisalgen in Organismen entlang des Nahrungsnetzes bestimmen.

Im Ergebnis zeigte sich, dass Eis-assoziierte Tiere zwischen 60 und 90 Prozent ihres Kohlenstoffs aus Eisalgen beziehen. Bei den in größeren Wassertiefen lebenden Tieren lagen die Werte zwischen 20 und 50 Prozent – und damit deutlich höher als erwartet. „Persönlich überrascht war ich vor allem vom Anteil im räuberischen Flohkrebs Themisto libellula, der im Freiwasser lebt und nicht an der Eisunterseite jagt. Wie wir jetzt wissen, stammen bis zu 45 Prozent seines Kohlenstoffgehalts aus Eisalgen, die wohl auf dem Speiseplan seiner Beutetiere standen“, so AWI-Meereisökologe und Co-Autor Dr. Hauke Flores. Zur Beute des räuberischen Flohkrebses gehören pelagische Ruderfußkrebse, die wiederum einen Eisalgenkohlenstoffanteil von bis zu 50 Prozent aufwiesen, „obwohl wir angenommen hatten, dass sie sich hauptsächlich von Algen aus der Wassersäule ernähren“, so Flores weiter.

Die Zahlen sind noch vor einem anderen Hintergrund überraschend: Eisalgen wachsen vor allem im Frühjahr, wenn wenig Licht durch das noch dicke Eis dringt. Die Proben wurden hingegen im Sommer genommen – und dennoch war der Anteil des Eisalgen-Kohlenstoffs in der Nahrungskette im Verhältnis sehr hoch. Wie sehen die Zahlen in anderen Jahreszeiten aus, lautet eine der Fragen, welche die AWI-Wissenschaftler sich nun stellen. Ebenso interessiert sie, ob stärker zwischen den verschiedenen Eisalgen differenziert werden kann und es womöglich eine Schlüsselalge gibt.

Mit der neuen Studie kann nun erstmals der Fluss des Eisalgen-Kohlenstoffs durch das sommerliche Nahrungsnetz der Zentralarktis mit konkreten Zahlen belegt werden. Diese Werte können AWI-Biologen in Modellrechnungen nutzen, um die Folgen des Meereisrückgangs für das arktische Ökosystem abzuschätzen.

Infos: www.awi.de.

Link zur Studie: http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/lno.10351/full.

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