Rubrik: Wissenschaft
Mittwoch, 22. August 2018, 11:16
Der ungewöhnliche Zeitpunkt von stark ausgeprägten sommerlichen Planktonblüten vor den Küsten Grönlands deutet auf einen Zusammenhang zwischen zunehmenden Schmelzwassermengen und Nährstoffeinträgen ins Meer hin. In einer neuen Studie zeigt eine internationale Forscher-Gruppe unter Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, dass dieser Zusammenhang zwar besteht, jedoch komplexer ist als weithin angenommen. Ob zunehmende Schmelzwassermengen einen positiven oder negativen Effekt auf die sommerlichen Planktonblüten haben, hängt von der Tiefe ab, in der ein Gletscher auf dem Meeresboden sitzt
Dr. Mark Hopwood während einer Messkampagne an der Küste Grönlands, Foto: © Thomas Juul-Pedersen/GCRC
Beobachtungsdaten zeigen eindeutig, dass Grönlands Eisschild den Wettlauf mit den steigenden globalen Temperaturen langsam aber sicher verliert. Jeden Sommer transportieren die Gletscher mehr Eis und Schmelzwasser in den Ozean. Dort trägt es unter anderem zum globalen Meeresspiegelanstieg bei. Doch ändert es auch die Chemie und die Biologie der Meere? Nach einer verbreiteten Theorie sorgen Nährstoffe im Schmelzwasser in den Sommermonaten für Planktonblüten vor den Küsten Grönlands. „Diese Zeit ist für Planktonblüten eigentlich ungewöhnlich, daher scheint der Zusammenhang naheliegend“, so Dr. Mark Hopwood, Chemischer Ozeanograph am GEOMAR.
Enden Gletscher vor der Küste Grönlands in der richtigen Wassertiefe, kann der Schmelzwasserauftrieb an der Gletscherfront sommerliche Planktonblüten verursachen. Zieht sich der Gletscher dagegen in geringere Wassertiefen zurück, hat der Auftrieb keinen düngenden Effekt mehr, Grafik: © Mark Hopwood/GEOMAR
In einer neuen Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift Nature Communications erschienen ist, weisen Hopwood und Kollegen vom GEOMAR sowie aus den USA, den Niederlanden und aus Grönland nach, dass dieser Zusammenhang nicht so einfach ist. „Im Gegenteil: Unsere Proben und Daten zeigen eindeutig, dass ein weiterer Rückzug von Gletschern in Richtung Land wieder zu einer Abnahme der Ausdehnung der sommerlichen Planktonblüte führen wird“, so Dr. Hopwood.
Schon vorher war klar, dass mehr Faktoren als nur die Schmelzwassermengen die Planktonblüten beeinflussen. „Der Nährstoff, der Plankton rund um Grönland am meisten fehlt, ist Nitrat, während das Gletscherschmelzwasser vor allem Eisen und Silizium enthält“, erklärt Dr. Hopwood. Dass das Schmelzwasser trotzdem Planktonblüten verursachen kann, liegt an der Art, wie einige Gletscher es an der Küste unterhalb der Meeresoberfläche ins Meer entlassen.
Die äußersten Zungen von mehr als 200 der zahlreichen grönländischen Gletscher liegen direkt im Meer und erstrecken sich von der Wasseroberfläche mehrere hundert Meter in die Tiefe. Schmelzwasser, das unterhalb der Gletscher ins Meer fließt, ist weniger dicht als das Meerwasser und strömt deshalb kräftig zur Oberfläche. Dabei nimmt es nitratreiches Tiefenwasser aus dem Meer mit und sorgt so in den lichtdurchfluteten oberflächennahen Schichten für Planktonwachstum.
„In unserer Studie haben wir das Verhältnis von Schmelzwasser-Ausfluss und Veränderungen des Nährstoff-Angebots in den Küstengewässern Grönlands erstmals mengenmäßig berechnet“, so Dr. Hopwood. Das Ergebnis: Das hochgeschwemmte Tiefenwasser trägt mehr als 90 Prozent zu den Nährstoffen bei, das eigentliche Schmelzwasser weniger als zehn Prozent.
Aufbauend auf diesem Ergebnis hat das Team weiter berechnet, was geschieht, wenn die betroffenen Gletscher weiter abschmelzen und sich dabei Richtung Küste zurückziehen. „Der düngende Effekt des Schmelzwasser-Auftriebs funktioniert nur, wenn der Gletscher bei bestimmten Wassertiefen vor der Küste endet. Zieht sich der Gletscher in geringere Wassertiefen zurück, endet dieser Effekt schnell. Die optimale Tiefe variiert regional, liegt aber generell zwischen 700 und 500 Metern“, erklärt Dr. Hopwood.
„Die Studie zeigt, dass ein weiteres Abschmelzen der grönländischen Gletscher nur unter ganz bestimmten Bedingungen zu sommerlichen Planktonblüten führt, ein Effekt, der bei ausgedehntem weiterem Abschmelzen endgültig endet“, fasst Hopwood die Ergebnisse der Studie zusammen.
Infos: www.geomar.de.
Link zur Studie: https://doi.org/10.1038/s41467-018-05488-8.
Schlagwörter: Arktis, Geomar, Grönland, Plankton
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