Rubrik: Umwelt
Mittwoch, 8. Juli 2015, 12:33
Die Meere können nicht mehr: Forscher befürchten einen grundlegenden Wandel der Ozeane – selbst bei Reduktion des Treibhausgas-Ausstoßes
Die Weltmeere brauchen eine sofortige und umfassende Reduktion der Treibhausgas-Emissionen durch den Menschen. Anderenfalls können weiträumige und größtenteils unumkehrbare Schäden im Lebensraum Meer eintreten, von deren Folgen vor allem auch Entwicklungsländer betroffen sein werden.
So lautet das Fazit einer neuen Studie, die am 2. Juli 2015 im Fachmagazin Science erschienen ist. In ihr bewertet das Forscherteam zum einen die aktuellsten Erkenntnisse zu den Risiken des Klimawandels für die Meere. Zum anderen zeigen die Wissenschaftler auf, wie grundlegend sich die Ökosysteme der Ozeane verändern werden, wenn wir Menschen weiterhin so viel Treibhausgase freisetzen wie bisher.
Seit vorindustrieller Zeit ist die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre unseres Planeten von 278 auf 400 ppm (parts per million) gestiegen. Ein Plus von 40 Prozent, das in den Ozeanen grundlegende Veränderungen in Gang gesetzt hat. „Die Weltmeere funktionierten bisher als Kühlschrank und Kohlendioxidspeicher unserer Erde. Sie haben zum Beispiel seit den 1970er Jahren rund 93 Prozent der durch den Treibhauseffekt von der Erde zusätzlich aufgenommenen Wärme gespeichert und auf diese Weise die Erwärmung unseres Planeten verlangsamt“, sagt Prof. Hans-Otto Pörtner, Co-Autor der neuen Ocean-2015-Studie und Wissenschaftler am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung.
Für diese Klimaleistung zahlen die Ozeane schon heute einen hohen Preis: Die Wassertemperatur steigt bis in Tiefen von 700 Metern, weshalb Arten innerhalb eines Jahrzehntes bis zu 400 Kilometer weit Richtung Pol abgewandert sind. Kalkskelette von Korallen und Muscheln können angesichts der zunehmenden Versauerung in vielen Meeresregionen nicht mehr so gut gebildet werden. Das Eis in Grönland und der Westantarktis schmilzt immer stärker und trägt zum Meeresspiegelanstieg bei. Infolge all dessen verändern sich die biologischen, physikalischen und chemischen Abläufe im Lebensraum Meer – und das mit weitreichenden Konsequenzen für das Leben im Meer und für den Menschen.
In der neuen Studie hat das Forscherteam nun auf Basis zweier Emissionsszenarien (Szenario 1: Erreichen des 2-Grad-Zieles/ Szenario 2: Wir machen weiter wie bisher) die Kernaussagen des 5. Weltklimaberichtes sowie aktueller Fachliteratur zusammengefasst und in Hinblick auf die Risiken für die Ozeane bewertet. „Wenn es gelingt, den Anstieg der Lufttemperatur bis zum Jahr 2100 auf unter zwei Grad Celsius zu beschränken, steigt das Risiko vor allem für tropische Korallen und Muscheln in niedrigen bis mittleren Breiten auf ein kritisches Niveau. Andere Risiken bleiben in diesem Fall eher moderat“, sagt Leitautor Jean-Pierre Gattuso. Für diese bestmögliche Option bedürfe es jedoch einer schnellen und umfassenden Reduktion des Kohlendioxidausstoßes, so der Forscher.
Bleiben die Kohlendioxid-Emissionen dagegen auf dem derzeitigen Niveau von 36 Gigatonnen pro Jahr (Stand 2013), wird sich die Situation der Meere dramatisch verschärfen. „Wenn wir so weitermachen wie bisher, werden die Veränderungen bis zum Ende dieses Jahrhunderts nahezu alle Ökoysteme der Ozeane betreffen und den Meereslebewesen nachhaltig Schaden zufügen“, so Hans-Otto Pörtner. Dies wiederum hätte gravierende Auswirkungen auf alle Bereiche, in denen der Mensch den Ozean nutzt – sei es in der Fischerei, im Tourismus oder beim Küstenschutz. Infos: www.awi.de.
Schlagwörter: Alfred-Wegener-Institut, Klimawandel, Ozeanversauerung
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