Rubrik: Wissenschaft
Mittwoch, 20. April 2011, 07:47
Ein winziger Einzeller mit großer Bedeutung steht im Mittelpunkt des nächsten Mesokosmen-Experiments des Kieler Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR): die Kalkalge Emiliania huxleyi transportiert Kohlenstoff in den tiefen Ozean und produziert außerdem ein klimakühlendes Gas
Die Kieler Mesokosmen im Juni 2010 im Kongsfjord vor Ny-Alesund, Spitzbergen. Foto: Maike Nicolai, IFM-GEOMAR
Ein 36-köpfiges Forscherteam aus deutschen, britischen und norwegischen Instituten untersucht, wie dieser Winzling auf die Ozeanversauerung reagiert und welche Folgen dies für den globalen Klimawandel hat. Dazu werden nach Ostern neun große Experimentieranlagen, sogenannte Mesokosmen, von Kiel nach Bergen verschifft.
Der Ozean bremst den Klimawandel, denn er nimmt einen Teil des vom Menschen produzierten Kohlendioxids (CO2) auf und fungiert so als Kohlenstoffsenke. Allerdings reagiert das CO2 mit dem Wasser zu Kohlensäure. Das Wasser wird dadurch saurer, was für marine Lebewesen, die ihre Schalen und Skelette aus Kalk aufbauen, gefährlich werden kann. Welche Folgen dies für das Ökosystem Meer hat, untersuchten Kieler Forscher bereits in mehreren Experimenten, zuletzt 2010 vor der Küste Spitzbergens. Ihr nächstes Projekt soll jetzt weitere Fragen zu den marinen Stoffkreisläufen beantworten. Dafür werden Ende April neun Experimentieranlagen des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR), sogenannte Mesokosmen, mit dem norwegischen Forschungsschiff HÅKON MOSBY von Kiel aus in den Raunefjord vor Bergen (Norwegen) transportiert.
„Im vergangenen Jahr haben wir im Kongsfjord vor Spitzbergen untersucht, wie das Nahrungsnetz der Arktis auf den steigenden CO2-Gehalt reagiert. Denn das kalte Wasser in den höheren Breiten nimmt besonders große Mengen von diesem Gas auf. Der Arktische Ozean wird deshalb früher als andere Meeresregionen korrosiv für kalkbildende Organismen", erklärt Prof. Ulf Riebesell, Meeresbiologe am IFM-GEOMAR und Leiter der Mesokosmen-Experimente. „Vor allem an der Basis der Nahrungskette konnten wir deutliche Veränderungen beobachten. Besonders empfindlich auf die im Experiment simulierte Ozeanversauerung reagierten die Flügelschnecken, die ein wichtiges Bindeglied im arktischen Nahrungsnetz bilden."
In ihrem nächsten Experiment wollen die Wissenschaftler die Stoffkreisläufe genauer unter die Lupe nehmen. „Wir haben uns den Mai als Zeitpunkt für unsere Arbeiten ausgesucht, denn dann blüht vor Norwegens Küsten und in den Fjorden die Kalkalge Emiliania huxleyi, deren äußere Hülle aus winzigen Kalkplättchen besteht", so Riebesell.
Durch ihre Massenentwicklung trägt diese Mikroalge wesentlich zum Stoffkreislauf in den Meeren bei. Ihre Kalkplättchen wirken als Ballast und beschleunigen so den Transport von Kohlenstoff in die Tiefe des Ozeans. Wird der Ozean saurer, werden die Kalkplättchen dünner und leichter. Der Ballasteffekt schwächt sich ab – und damit möglicherweise auch der Kohlenstofftransport in die Tiefe. Noch ein weiterer Punkt interessiert die Forscher: Die Kalkalgen setzen Dimethylsulfid (DMS) frei. In der Atmosphäre bilden sich aus dieser schwefelhaltigen Verbindung Schwefelsäuretröpfchen. Diese formen wolkenähnliche Schichten, die das Sonnenlicht reflektieren und dem Treibhauseffekt entgegen wirken können. Prof. Riebesell: „Die unscheinbaren Einzeller spielen also gleich im doppelten Sinne eine wichtige Rolle für unser Klima. Umso wichtiger ist es zu wissen, wie sie auf den Ozeanwandel reagieren, und was dies im Hinblick auf den globalen Klimawandel bedeutet." Infos: www.ifm-geomar.de.
Schlagwörter: Klimawandel, Ozeanversauerung
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